Schreiben ist ein zutiefst persönlicher und komplexer Prozess, der von Mensch zu Mensch stark variiert. Viele Schreibende, besonders Anfänger, haben Schwierigkeiten, ihren eigenen Schreibfluss zu finden oder fühlen sich von der Aufgabe überfordert. Die Wahrheit ist, dass es einen großen Unterschied machen kann, wenn du deinen eigenen Schreibtyp kennst.
Die Herausforderung des Schreibens verstehen
Lange Zeit dachte ich von mir selbst, dass ich viel zu chaotisch bin, um wirklich gute Texte zu schreiben. Ich hatte zwar schon immer Lust zu schreiben, seitdem ich lesen kann, doch um professionell zu schreiben, hielt ich mich für zu wenig strukturiert. Vor allem aber war mir die „Magie“ der professionellen Autorinnen und Autoren, ihre Texte so wunderbar fließen zu lassen, ein Rätsel.
Erst in meiner Ausbildung zur Schreibberaterin habe ich gelernt, dass es unterschiedliche Schreibtypen gibt. Die wichtigste Erkenntnis dabei war: Keiner dieser Schreibtypen ist per se besser oder schlechter als der andere – sie sind einfach nur unterschiedlich.
Warum du deinen Schreibtyp kennen solltest
Wenn du deinen eigenen Schreibtyp kennst, kannst du deine Art, an Texten zu arbeiten, besser verstehen. Du lernst deine Stärken und Schwächen besser zu erkennen, sodass du deine Stärken gezielter einsetzen und deine Schwächen vorausschauender unterstützen kannst.
Den eigenen Schreibtyp zu kennen, hilft dir enorm dabei, deinen Schreibprozess zu verbessern. Wenn du verstehst, auf welche Art und Weise du deine Texte produzierst, kannst du Probleme, die dabei möglicherweise entstehen könnten, leichter vermeiden, wie beispielsweise Schreibblockaden.
Verschiedene Schreibtypen und ihre Merkmale
Ich bin von meinem angeborenen Schreibtyp her eher auf der Seite des Spektrums „chaotisches Schreiben und kreative Ergüsse“ zu finden. Rechtschreibung und Zeichensetzung interessieren mich im ersten Moment herzlich wenig. Ob meine Gedankengänge am Ende für andere noch nachvollziehbar sind, muss ich hinterher checken. Erst einmal müssen meine Ideen raus aus dem Kopf, auf das Papier gebracht werden. Aber auch , wenn du eher der Typ bist „grübeln bis der Arzt kommt, bevor das erste Wort das Licht der Welt erblickt“ ist das völlig in Ordnung und hat große Vorteile. Du bist einfach ein anderer Schreibtyp als ich. Manchmal hätte ich gerne eine Scheibe von deinem Stil, genauso wie du dir vermutlich manchmal wünschst, einfach losschreiben zu können.
Strukturfolgende und Strukturschaffende Schreibtypen
Die Schreibforschung ist ein noch recht junges Feld. Seit den 1960er und 70er Jahren entwickelte sich dieser Bereich der Wissenschaft in den USA und Kanada und erreichte in den 1980er Jahren auch Deutschland. Forschende beschäftigen sich dabei vor allem mit den Prozessen, die unser Gehirn beim Schreiben durchläuft und welche Schritte notwendig sind, um Texte erfolgreich zu verfassen. Egal, zu welchem Schreibtyp du gehörst – schreiben ist einfach schon ganz biologisch durch unsere Art informationen zu verarbeiten nie ein linearer Prozess. Wir alle drehen immer wieder Schleifen, überarbeiten, überdenken, so dass ein Text nicht gleich wie aus dem Ei gepellt auftaucht, sondern wachsen muss!
Auf welche Art und Weise du deine Denk- und Schreibschleifen drehst, bestimmt deinen grundsätzlichen Schreibtyp. Dabei gibt es keine klare Grenze zwischen den Schreibtypen. die meisten Menschen ordnen sich eher dem einen oder dem anderen Typen zu, obwohl wir meist auch Aspekte des jeweils anderen Typen in unserem Verhalten erkennen.
Strukturschaffende Schreibtypen:
Strukturschaffer*innen formen ihren Text erst im Laufe des Schreibens. Ihr Ziel ist es, so schnell wie möglich in die Produktion von Text einzusteigen. Sie beginnen früh im Arbeitsprozess mit dem Schreiben, um die gesammelten Informationen direkt zu verarbeiten. Dieser Ansatz ist oft sehr flexibel und inspirierend, da er Raum für spontane Ideen lässt. Allerdings birgt er auch die Gefahr, dass man sich in der noch unklaren Struktur verliert, zu viele Gedanken und Materialien anhäuft und den roten Faden aus den Augen verliert. Ein typisches Merkmal dieses Schreibertyps: Strukturschaffende verfassen die Einleitung eines längeren Textes häufig erst, nachdem der Hauptteil bereits fertig ist.
Quicktipps für Strukturschaffende
Bei größeren Schreibprojekten, bei denen du Gefahr läufst, dich inhaltlich zu verzetteln, lohnt es sich, sich beim Kollegen Strukturfolger ein paar Arbeitsvorgänge abzukucken.
- Zum Beispiel solltest du bei einem Buchprojekt auf jeden Fall ausreichend Zeit in eine gute Gliederung stecken (auch wenn du am liebsten einfach drauf los schreiben möchtest).
- Oder dir angewöhnen, bei längeren Texten wie Blogbeiträgen oder E-Mails im Anschluss ganz bewusst einen Scannerblick aufzusetzen, um die Struktur und Logik zu überprüfen.
Strukturfolgende Schreibtypen:
Strukturfolgende Schreibende starten ihren Arbeitsprozess mit einem klaren Plan. Sie entwickeln von Anfang an eine feste Textstruktur, der sie dann konsequent folgen. Für sie ist ein planvolles und kontrolliertes Vorgehen entscheidend. Oft greifen sie auf bewährte Strukturen zurück, die sie aus der Lektüre kennen, oder sie entwerfen eigene Konzepte, etwa durch Mindmaps oder detaillierte Gliederungen. Diese Vorgehensweise verleiht ihrem Schreibprozess eine organisierte und effiziente Note, da die grundlegenden Strukturen früh festgelegt werden. Allerdings birgt diese Striktheit auch das Risiko, dass der Blick für neue Ideen während des Schreibens eingeschränkt wird. Ein typisches Merkmal dieses Schreibertyps: Strukturfolgende können häufig die Einleitung und den Schluss eines Textes verfassen, bevor sie den Hauptteil überhaupt beginnen.
Quicktipps für Strukturfolgende
Auch für Strukturfolgende kann es hilfreiche sein, sich bei den Strukturschaffenden ein paar Tricks für mehr Leichtigkeit beim Schreiben abzuschauen.
- Um etwas leichtfüßiger im Schreibprozess zu werden kann es helfen, regelmäßig kleine „Schreibsprints“ hinzulegen. Einfach vor der eigentlichen Texterstellung oder jeden Morgen 10 Minuten locker aus dem Handgelenk drauf los schreiben. So bekommst du dein Schreibhirn in Schwung und trickst den inneren Zensor etwas aus, der alles immer gleich druckreif aufs Papier bringen will.
- Gliederungen sind ein wichtiges Gerüst – aber nicht in Stein gemeißelt! Häufig tauchen beim Schreiben nochmal neue Fragen oder andere wichtige Aspekte auf. Strukturfolgenden hilft es, wenn sie sich dafür bewusst Raum in der Gliederung freihalten oder diese Ideen vorerst in einem separaten Dokument festhalten. Generell sollte eine Gliederung auch die Gelegenheit zum „reifen“ bekommen.
Schreibtypen erkennen und nutzen
Gerade bei großen Schreibprojekten, wie einem Buch, kommt unser Gehirn als Zwischenspeicher ganz natürlich an seine Grenzen. Je nach Schreibtyp gibt es jedoch vielfältige Methoden, deine jeweiligen Stärken bewusst einzusetzen und gleichzeitig Tipps, Tricks und Tools, um deine Schwächen möglichst zu umgehen.
Wie so häufig gibt es auch bei dieser Einteilung keine eindeutigen Schubladen, sondern eher ein Spektrum, auf dem wir uns einordnen können. Indem du deinen Schreibtyp erkennst und verstehst, kannst du deinen Schreibprozess effizienter gestalten und letztlich bessere Texte produzieren.
Alles Liebe- und schreib schön!
Melanie