„Hallo Frau Eschle,“ – ich bin seit vielen Jahren im Recruiting tätig und seit einigen Jahren selbständige Beraterin. Ich habe überlegt, ein Expertinnen-Buch zu schreiben und hatte mit dem Springer Gabler Verlag auch einen tollen Interessenten dafür. Aber die Prozente, die man als Autor erhält, sind so unterirdisch, dass ich das Projekt wieder abgeschrieben habe…“ So beginnt eine Nachricht, die mich vor ein paar Tagen über LinkedIn erreichte.
Eine erfahrene Recruiterin und selbständige Beraterin überlegt, ihr Wissen und ihre Erfahrungen in einem Buch zu teilen, zögert aber aufgrund der unattraktiven Konditionen traditioneller Verlage und der Unsicherheiten im Self-Publishing. Sie wollte meine Einschätzung haben, ob ich es für realistisch halte, dass sie die invertierte Zeit in ihr Buch auch finanziell hinterher wieder herausholen kann.
Die Frag ist sehr berechtig, allerdings nicht so knapp in einem LinkedIn-Chat zu beantworten. Denn wie so oft ist die Antwort darauf wieder einmal ein ganz klares: kommt darauf an….
Ziele deines Expertinnen-Buchs
Eines vielleicht vorweg – es gibt viele gute Gründe ein Expertinnen-Buch, Fachbuch, Ratgeber oder Sachbuch zu schreiben. „Reich werden“ ist – zumindest als primäres Ziel – ein eher schlechter Grund. Nicht, weil ich etwas dagegen hätte, reich zu werden, sondern weil ich positive Realistin bin. Das heißt für mich, ich möchte meinen Kundinnen keinen Quatsch erzählen und ich möchte auch, dass meine Kundinnen ihre gesteckten Ziele erreichen.
Deshalb plane ich die Bücher mit den Frauen, die mit mir zusammenarbeiten als Buch-Projekt.
Nicht als Lebenswerk.
Und auch nicht als Zeitvertreib.
Sondern als zeitlich begrenztes Projekt mit einer Planungsphase, einer Umsetzungsphase und – ganz wichtig, mit einer Deadline, zu der das Projekt auch fertiggestellt und beendet wird!
Denn die Zeit, die du in dein Buch steckst kannst du natürlich in dem Moment nicht in dein Business stecken. Nachvollziehbar, dass da der Gedanke aufkommt, ob sich die Zeitinvestition in dein eigenes Buch dann auch auszahlt.
Erfolgsmessung: Jenseits von Euro und Cent
Gute Planung ist der eine Teil. Diese Planung dann auch durchzuziehen ein anderer. Daher erarbeite ich immer als erstes die innere Motivation der zukünftigen Autorinnen und vor allem auch ihr Ziel, dass sie mit einem Buch erreichen wollen.
Was bedeutet das jetzt für die Recruitement-Expertin des Anfangs?
Sie hat knappe Zeitressourcen und möchte, dass sich ihr zusätzlicher Energieeinsatz auszahlt.
Richtig so!
Jedoch lassen sich Erfolg und persönliche oder unternehmerische Ziele nicht immer knallhart in Euro berechnen. Auf den ersten Blick mag eine Beteiligung von 5 % des Gewinns (das entspricht dem Angebot in diesem besprochenen Fall. Andere Verlage können andere Konditionen haben) mickrig erscheinen.
Du solltest aber nicht vergessen, dass ein seriöser Verlag dafür auch alle anfallenden Kosten, die das Buch in der Produktion und Vermarktung verursacht, trägt. Dafür profitierst du von den hausinterne Expert*innen für Lektorat, Korrektorat, Cover, Grafikdesign, Buchsatz, Marketing, Vertrieb und Logistik – um nur einige zu nennen. Sie alle sind in der Kalkulation schon mit drin. Klar bleibt da am Ende dann nicht mehr so viel für die Autorin hängen.
In diesem Fall besteht der Mehrwert für die Autorin darin, dass sie ihr Buch in einem renommierten Fachbuchverlag herausbringen könnte. Eine Chance, für die andere ihre Großmutter verkaufen würden….
Passt der Verlag zu deinen Zielen?
Die Frage ist nur: Passt dieser Benefit auch zu den Zielen der Ratsuchenden?
„Ich muss mit so einem Buch auch wirklich Geld verdienen können“ war die Voraussetzung für die Recruiting-Expertin, um mit ihrem Buch-Projekt überhaupt erst anzufangen.
Wenn ich nicht überzeugt wäre, dass sich mit einem eigene Expertinnen-Buch Geld verdienen ließe, würde ich eine andere Zielgruppe als Frauen mit einem eigenen Business ansprechen. Ich könnte mich vielleicht auf ein Format wie „schreib deine eigene Familien-Biographie“ spezialisieren, bei der es rein um den Spaß am Schreiben geht. Ich weiß aber aus meiner langjährigen Marketingerfahrung, wie sinnvoll ein Buch für die eigene Sichtbarkeit sein kann. Gut geplant und gezielt eingesetzt kann es ein spitzenmäßiges Marketingtool für das eigene Business und die Vermarktung der eigenen Expertise sein.
Buch als Marketingtool: Langfristige Vorteile
Verdienst du damit im ersten Schritt tausende von Euro mit der Veröffentlichung deines Expertinnen-Buches?
Sehr wahrscheinlich nicht.
Hilft es dir dabei
• bekannter zu werden,
• leichter Kundinnen zu gewinnen,
• deine Preise zu erhöhen,
• Nischen zu besetzen,
• dich als attraktiven Talkgast zu etablieren,
• ein cooles Einstiegsangebot zu haben,
• dich als Rolemodel zu positionieren,
• nicht mehr Bücher deiner Kolleginnen empfehlen zu müssen,
• professioneller aufzutreten
• oder Content für sehr lange Zeit zu haben?
Aber sicher!
Nur, spielt dir dein Expertinnen-Buch erst im zweiten Schritt Geld in deine Kasse. Eingesetzt als Marketing-Tool machst du den Wert deines Buches nicht an den nackten Verkäufen fest, sondern nutzt es langfristig für deine Sichtbarkeit und dein Business.
Von daher passen die Erwartungen meines LinkedIn-Kontaktes, nämlich möglichst schnell und auf direktem Wege Geld mit der Veröffentlichung des Buches im renommierten Fachbuchverlag zu verdienen, zumindest nicht mit dem ihr vorliegenden Angebot zusammen.
Anders sähe die Sache aus, wenn sie zum Beispiel eine Karriere als Keynote-Speakerin ausbauen möchte und für die eigene Reputation in Experten-Gremien ein Fachbuch veröffentlichen sollte. So ein Angebot eines Fachbuchverlages? Jackpot!
Self-Publishing als Alternative
Natürlich hatte unsere Kandidatin nach dem Schock über die 5% Tantiemen auch die Möglichkeiten des Selfpublishings in Betracht gezogen. Sie fragte dementsprechend auch: „Kann man ein Fachbuch selbst erstellen und wirklich professionell und gewinnbringend z.B. über Amazone verkaufen?“.
Die kurze Antwort dazu ist: Ja, das kann man.
Die lange Antwort fängt mit einem „Aber“ an: Aber mit dem Selfpublishing kommen auch sehr viele Aufgaben, die ansonsten ein klassischer Verlag übernimmt, auf die Selfpublisher zu. Und gerade, wenn du damit möglichst viel Geld verdienen willst, solltest du auch eine dementsprechende Qualität, was Druck, Papier, Bindung, Buchsatz, Cover, Abbildungen, Design etc. angeht abliefern. Darüber hinaus bist du in dem Fall auch für die Qualität deines Textes voll verantwortlich. Das bedeutet, du solltest die Kosten für Lektorat und Korrektorat unbedingt mit einkalkulieren.
Darüber hinaus bist du der Vertrieb, Marketing-und PR-Abteilung für dein Buch in Personal-Union. Natürlich kannst du dir für alle diese Aufgaben Expert*innen hinzu holen. Aber auch die müssen dafür in deine Kalkulation mit eingepreist werden.
Pro und Contra Selfpublishing
Ich bin ein großer Fan des Selfpublishings, denn es bringt dir eine große Freiheit bei der Veröffentlichung und ermöglicht es dir, dein Buch sehr schnell umzusetzen und auf den Markt zu bringen. Prinzipiell kann man auch sagen, dass der Erlös pro Buch höher für dich ausfällt als in den meisten klassischen Verlagen. Allerdings ist die Anfangsinvestition in dein Buch, wenn du dir an der ein oder anderen Stelle professionelle Unterstützung holst (und das solltest du!), ebenfalls höher und du trägst das unternehmerische Risiko. Dafür redet dir aber auch niemand rein und du musst nicht mit deinem Exposé bei den Verlagen Klinken putzen… lies dazu gerne auch meinen Beitrag “ Selfpublishing oder Verlag? Dein ultimativer Guide“.
Erst wenn dein Ziel klar ist, kannst du dich auch auf den Weg machen
Die LinkedIn-Nachricht endete mit :“Aber solange ich nicht klar weiß, wo und wie so eine Reise aussehen kann, fange ich auch nicht an“. Und ich glaube, letztendlich ist das vorerst ein gute Entscheidung. Alles anderes würde nur zu Enttäuschungen führen und im schlimmsten Fall die nötige Motivation, so ein Buch auch fertig zu schreiben, auf halbem Weg verpuffen.
Ich glaube nicht, dass sie in diesen Tagen einen Verlag finden wird, bei dem sie die investierte Zeit in ihr Buch auch für ihr aktuelles Empfinden angemessen vergütet bekommen wird. Zumindest nicht als unbekannte Erstautorin. Spätestens nach dem ersten Spiegelbestseller wird alles besser -aber bis dahin lohnt es sich wirklich, sich gründlich über die eigentliche Motivation, das Ziel und den Nutzen eines eigenen Expertinnen-Buches Gedanken zu machen.
Danach fallen viele Entscheidungen, die du auf dem weiteren Weg zu deinem eigenen Expertinnen-Buch treffen darfst, sehr viel einfacher.
Du hast auch eine Frage zu deinem Buch-Projekt?
Vielleicht hast auch einen Gedanken oder Zweifel, der dich immer wieder davon abhält, dein erstes eigenes Expertinnen-Buch zu schreiben. Oder du bist dir bei der ein oder anderen Überlegung noch unsicher. Melde dich gerne über LinkedIn bei mir – vielleicht kann ich dir ja helfen?
Alles Liebe –
und schreib schön!
Deine Melanie